“I don‘t think there’s any good reason to make an album like this. Not in any logical way. ” So lautet die
Antwort des irischen Songwriters A. S. Fanning wenn man ihn beinahe verzweifelt fragt, wie es zu
einem Album kommen konnte, dass so düster und apokalyptisch ausgefallen ist, dass man danach
regelrecht nach Luft schnappen muss.
Melancholie ist jedenfalls ein viel zu schwaches Wort. Verzweiflung trifft es auch nicht. A. S. Fanning ist
eher ein nüchterner Chronist einer untergehenden Welt. Realistisch-pessimistisch. Sein Album
„Mushroom Cloud“ ist aber weit mehr. Es baut in der archaisch-analogen Produktion einer
großen, schweren Rockband atemberaubenden Melodiebögen mit und um Fannings warme
Baritonstimme. In Verbindung mit seinen dunklen Themen webt es eine seltsame Verfänglichkeit. So
als würde man etwas zu lange in einen tiefen, dunklen Brunnen blicken.
Inhaltlich könnte man „Mushroom Cloud“ beschrieben als ein Update zu Leonard Cohens „The
Future“. Paranoia, die Isolation der Corona-Zeit, Klimawandel, Krieg, Autokraten, Populisten, die
Kampfzonen des Internets und die sorgfältige Registrierung eines jeden Moments, in dem die Augen
nur ganz kurz auf einer Werbeanzeige in der Timeline verharren. . .
Positiver wird es nicht, auch wenn man im Gespräch mit ihm wirklich angestrengt nach Hoffnung sucht.
„I haven’t really looked for any silver linings in this myself. I suppose the best I can do is to see it as a
document of a low point. A sort of scorched earth that hopefully leads to a new beginning. ” Immerhin
fügt er kurz darauf hinzu, dass ihm das Schreiben hilft, eine kritische Distanz zum eigenen Denken
aufzubauen: „I found myself laughing at some of the lyrics I had written, which I think is quite a healthy
thing, to be able to take a step back from your darker thoughts and see the absurdity in them. ”
A. S. Fanning war noch nie ein fröhlicher Zeitgenosse. Sein letztes Album You Should Go Mad“ (2020)
entlehnt seinen Titel aus Melvilles „Moby Dick“ und bewegt sich im Themenspektrum von Paranoia und
Angstzuständen. Etwas „Vernünftiges“ gelernt hat A. S. Fanning nie. Mit 12 Jahren spielte er sein erstes
Konzert in einem Pub außerhalb Dublins, in dem beim Alter der Musiker nicht so genau hingeschaut
wurde. Mit 16 hatte er eine erste Band mit eigenen Songs, die nur ein Jahr später kurz in den irischen
Charts aufflackerte. Er reiste eine Zeitlang als Teil der backing band eines irischen Songwriters um die
Welt und verdiente dazwischen Geld mit Johnny Cash-Coverversionen in Dubliner Pubs. Um irgendwie
vom schütteren Einkommen eines Musikers leben zu können, ist er 2011 nach Berlin gezogen und hat
sich auf seine eigenen Songs und deren Produktion konzentriert. Die Musik wurde dunkler, die
Instrumentierung karg, Text und Stimme rückten in den Mittelpunkt.
„Mushroom Cloud“ ist sein drittes Berliner Album und so eine Art vorläufiger Höhepunkt dieser
Schaffensperiode. Bis auf den Titeltrack, der zu Beginn der Pandemie entstand, schrieb er alle Lieder in
einer intensiven Phase von drei oder vier Wochen Anfang 2022. Es ist sein erstes Album, das wieder
auf eine feste Bandbesetzung vertraut und seinen Mitmusikern Bernardo Sousa (E-Gitarre), Dave
Adams (Orgel, Piano), Jeff Collier (Drums) und Felix Buchner (Bass) im Arrangement große
Freiräume lässt. Aufgenommen wurde es an nur fünf Tagen live in den Impression Recording Studios
mit Produzent Robbie Moore (Idea Farm). Hinzugefügt wurden nur die Overdubs des Oriel Quartetts,
geschrieben von der irischen Komponistin Irene Buckley, ein wenig Percussion und eine einsame Pedal
Steel Guitar in „Sober“.
Der Opener und Titeltrack stammt aus der Zeit des ersten Lockdowns und spiegelt die Isolation und
den Stillstand jener Zeit wider. „Conman“ handelt rasselnd und röchelnd von den allgegenwärtigen
Figuren, die Zerstreuung und einfache Antworten auf die Komplexität und Unordnung unserer Welt
feilbieten. „Haunted“ greift die Gedanken des Gegenwartstheoretikers Mark Fisher auf, der die
geisterhafte kulturelle Präsenz alles Vergangen beschreibt, die über nostalgische (Selbst-)Referenz
unsere Utopien und alles wirklich Zukünftige erstickt. „Sober“ ist dann eine Art eskapistische
Atempause – eine Ausstiegsfantasie über das Anheuern auf einem Walfänger: “Take a trip up north,
embrace the cold | Lean into the loneliness, the solitude, the emptiness | This living young is getting
old”. Hört man weiter auf der B-Seite der LP, dann lässt “I Feel Bad“ die persönliche Empfindung mit
dem Einsatz der Band direkt wieder in einen universellen Untergang kippen: “The arc of human history
bends towards misery. ” A. S. Fanning lässt danach einfach Bilder niederregnen wie die Schläge eines
Hammers auf einen Amboss: Katastrophen, Amokläufer, Märtyrer in Gefängnissen, eine Kakerlake, die
in einer Schüssel Bowle schwimmt. . . Und es wird auch im weiteren Verlauf nicht mehr besser: “Colony
Collapse”, “Disease”. “The universe wants me dead. ”
Closing track “Pink Morning / Magic Light“ lässt wieder Wärme und Licht in das Klangbild. Textlich
muss man allerdings auch hier nach Zuversicht suchen – etwa wenn Fanning bewusst „loneliness“
meidet und stattdessen „onliness“ verwendet und ganz vorsichtig als Frage formuliert, ob es vielleicht
ausreicht, alle Ängste abzustreifen und ganz unverstellt mit sich allein zu sein.
"I was going through a breakup from a thirteen-year relationship at the time. I wrote most of the album
during a pretty intense time at the end of the last pandemic winter. I felt claustrophobic and anxious,
having been cooped up all winter, mixed with the sadness and uncertainty of my personal situation. In
the context of my own life I was trying to get used to the idea of being alone, and of that being enough.
When my father died and I moved away from Dublin, I felt I had to recalibrate my sense of what ‘home’
meant. I don’t know if I succeeded but I feel like this album is part of a similar recalibration, of
discovering something of myself and becoming comfortable in my own skin. " |