Für Außenstehende bleibt die popmusikalische Topografie
Nordwest-Deutschlands meist so lange terra incognita, bis sie sich –
im wahrsten Sinne des Wortes – ins Feld begeben. Und diese
Landpartie lohnt, denn musikalische Perlen lassen sich auch fernab
der großen Städte, in diesem Fall hinter Bremen, finden.
Nehmen wir die Gruppe NACKT: Vier Musiker*innen, die sich anschicken,
vom niedersächsischen Oldenburg aus die Bühnen der Republik zu
erobern: In einem feuchten Keller der Grünkohlhauptstadt tüfteln die
Landeier dafür schon seit längerem an ihrem Sound und Live-Set. Durch die
Zusammenarbeit mit dem Berliner Label Listenrecords trauen sich Paula,
Fabian, Peter und Tabea jetzt so richtig aus der Deckung. Erste
Streaming-Playlisten und Airplay zeigen: Zu Recht! Am 4. Oktober 2024
erscheint – passend zum deutschesten Feiertag, den das Land zu bieten
hat – ihr Debut-Album mit dem sperrig-süßen Titel "Ein
Jahrhundertgeschenk für die Republik". Passend deshalb, weil NACKT
unschlagbar darin sind, die verschiedenen Mentalitäten des Landes
genussvoll zu sezieren. Mit Vorliebe die unangenehmen, versteht sich. Mit
viel Energie und zwei zwinkernden Augen versammeln NACKT hier ihre
ironisch-messerscharfen deutschsprachigen Stücke: Patriarchat,
Nationalismus, Kapitalismus, Rassismus, Spießertum, Militarismus – hier
bleibt kein Stein auf dem anderen. Thematisch bewegt sich die Band damit
zwar auf ganz dünnem Zahnfleisch (aua!), aber Gesellschaftskritik ist
Handarbeit. Das tanzbare, detailverliebte Synthpop-Gewand kleidet die
großen Brandmauern und kleinen Sticheleien dabei ganz ungemein.
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